Studentisches Projekt gestaltet von Marius Schiele im Rahmen des Seminars Crossmediale Kommunikation mit dem Büro der Universitätsfrauenbeauftragten. Projekt #WueSeeYou, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Sommersemester 2023
Inhaltlich unterstützt wird die Vorstellung von Leo Stahl durch den Leiter des Johanna Stahl Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, Dr. Riccardo Altieri.
Leo Stahl - Vielfalt als Möglichkeit des Studiums in relativ liberaler Kaiserzeit
Dr. Riccardo Altieri, Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, über Leo Stahl.
Ich glaube, für Leo Stahl bedeutete Vielfalt an der Universität Würzburg zunächst einmal, dass alles so war, wie es eben war. Er hatte das Privileg, am Ende der Kaiserzeit studieren zu dürfen. Damals waren die Universitäten noch nicht ganz so geöffnet und liberal wie während der Weimarer Republik. Aber sicherlich gab es noch nicht diese Ausgrenzung von Menschen, die der jüdischen Konfession angehörten, wie das später in der NS Zeit war. Ich nehme an, für seine Zeit hat er diese Perspektive durchaus als liberal wahrgenommen.
Studium und Promotion während der NS-Zeit
Eine besondere Bereicherung für den beruflichen Werdegang an der Universität Würzburg war für Leo Stahl seine Mitgliedschaft in der Studentenverbindung. Als einziger Schoa-Überlebender der Stahl-Geschwister fand er auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch Rückhalt in der Verbindung.
Besonderes Unrecht: 184 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Würzburg wurde in den Jahren von 1933 bis 1945 ihre Doktorwürde unrechtmäßig aberkannt. Vor allem Wissenschaftler jüdischer Herkunft sollten damit herabgewürdigt werden, so auch Leo Stahl. Hintergrundinformationen zu den Depromotionen sowie zu deren Aufarbeitung gibt es in den Beiträgen zur Würzburger Universitätsgeschichte (Band 1: "Die geraubte Würde").
Gewalt gegenüber Mitmenschen jüdischer Konfession
Leo Stahl überlebte als einziges Kind der Stahl-Familie die Schoa. Doch trotz des Sturzes des NS-Regimes vor über 75 Jahren, stellt Antisemitismus auch im 21. Jahrhundert weiterhin ein großes gesellschaftliches Problem dar. Wie in der abgebildeten Grafik zu erkennen ist, gibt es eine Vielzahl an Tatorten, an denen Mitmenschen jüdischer Konfession im Jahr 2022 unter Gewalt leiden mussten. Auffällig ist u.a., dass Vorfälle in Bildungseinrichtungen, zu denen auch Universitäten zählen, sogar an dritter Stelle stehen.
Weitere Informationen zur Grafik finden Sie im Jahresbericht 2022 des Bundesverbands RIAS e.V.
Leo Stahl - familiärer und finanzieller Rückhalt während des Studiums
Dr. Riccardo Altieri, Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, über Leo Stahl.
Positiv beeinflusst im Studium wurde Leo Stahl in erster Linie auch durch seine eigene Familie, durch den finanziellen Rückhalt. Die Familie war bürgerlich und das war nicht ungewöhnlich in dieser Zeit, dass mehrere Kinder einer Familie, in der es noch keine akademische Vorprägung gab, gleichzeitig studierten. Ein weiterer Rückhalt war sicherlich auch in seiner ersten Berufstätigkeit parallel zur Promotion der Ullstein-Verlag. Und als er dann in Frankfurt für die Frankfurter Zeitung, aber auch in Berlin gearbeitet hat, dort der finanzielle Rückhalt. Er war während des Ersten Weltkriegs als Soldat verwundet worden und konnte dann seine Promotion abschließen während des Krieges, weil er eben verwundet war.
Trotz der einerseits bis heute andauernden Diskriminierung verschiedenster Personengruppen gibt es andererseits auch großes Engagement gegen Ausgrenzung und eine Vielzahl an Beratungsstellen, an die sich Betroffene jederzeit wenden können. Im Folgenden finden Sie sowohl regionale Beratungsangebote als auch Informationsstellen zu den Themen Antisemitismus, Gewaltschutz und -prävention und Diskriminierungsprävention.
Zukunft ohne diskriminierende Zulassungsbeschränkungen
Dr. Riccardo Altieri, Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, über Leo Stahl.
Was die Universität heute attraktiv macht, ist natürlich die völlig andere Herangehensweise an die Öffnung des Hochschulsystems, als es in der Zeit des Kaiserreichs oder in der Zeit der Weimarer Republik war. Heute kann im Prinzip jeder studieren und sich, wenn es an finanziellen Mitteln scheitert, irgendwo helfen lassen. Was Diversität angeht, würde ich aus der Perspektive von Leo Stahl wahrscheinlich antworten: Es ist gut so, wie es jetzt ist, nämlich dass niemand mehr ausgeschlossen wird, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts oder sonst einer Identität nicht an eine Hochschule dürfen. Das hat sich wirklich gebessert und in diese Richtung darf es gerne auch noch weitergehen.